Knoblauch Keibel Buttmann Verhuven und mehr

Und alles so nah; daß wir den Krieg so nah erleben werden, wer hätte das geahnt. Um 10 Uhr hörte das Schießen auf. Am Abend (des 25. Jan 1919) trat die größte Überraschung in die Türe, Onkel Adalbert Nowak. Das war fein! Er hatte Vater angeboten, brieflich schon, daß er gern versuchen würde, nach Groß-Münche zu kommen, wenn Vater es für gut hält. Vater griff gleich zu und schon war Onkel hier. 1910 hatte ich ihn zum letzten Mal gesehen. Nun besprach er alles mit Vater, der ja so froh und dankbar ist, daß er gekommen. Vielleicht kann er als Pole Mutter helfen und ihr Freiheit verschaffen, kann mit den Polen vermitteln u.s.w. Am Sonntag fuhr Vater mit ihm nach Birnbaum, um mit Herrn Voß die Angelegenheit zu besprechen. Es muß sehr diplomatisch gehandelt werden, ein Grund gefunden werden, warum er hin muß, rauskriegen, wie er hinkommt. Ein Ausweis von Polen ausgestellt kann ihm nur nützen. Als Grund wird angegeben: seiner Tochter Elly stehen 15000 Mark von Vaters Vermögen zu. Er will als Vater nach dem Rechten sehen, daß richtig gewirtschaftet wird, daß das Geld nicht verloren geht. Ein Bruder von ihm wohnt in Schneidemühlchen, der verschafft ihm den Ausweis, um nach Posen zu kommen, dorthin bestellt er sich seinen 2ten Bruder, um mit ihm beim Soldatenrat und Kommando die Fahrt nach Groß-Münche durchzusetzen. So ist die Sache gedacht. Ob sie nun ganz so ausgeführt werden kann? Vorgestern ist er früh fortgefahren, wo mag er heute stecken. Wir gaben ihm die herzlichsten Grüße an unsere Lieben nach Groß-Münche mit, die von alledem nichts wissen. Hoffentlich kommt er hin. Baron Arnim hat ihn gleich beurlaubt. Hoffentlich kann er Mutter nützen und verschlechtert ein eventuelles Bekanntwerden seines wirklichen Grundes die Sache nicht.
Q: Tagebuch Lotte Keibel 1919